Leopold Rütimeyer

18561932

Leopold Rütimeyer war von 1883 bis 1896 Hausarzt am Diakonissenspital in Riehen, wo er auch eine Landpraxis betrieb. Ab 1887 lehrte er an der Universität Basel, zuerst als Privatdozent und ab 1907 als ausserordentlicher Professor. Er galt als Autorität auf dem Gebiet von Krankheiten der Verdauungsorgane, betrieb aber auch volkskundliche und ethnologische Forschungen, für die er 1926 von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Basel mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet wurde.

Sohn des Karl Ludwig Rütimeyer (1825–1895; Professor für Zoologie und vergleichende Anatomie) von Bern und der Laura, geborene Fankhauser, von Burgdorf. Heirat 1884 mit Rosa Lindt (1859–1945). Drei Söhne und zwei Töchter.

Herkunft, Ausbildung und erste Berufsjahre

Leopold Rütimeyer wurde am 13. Mai 1856 als einziges Kind des berühmten Anatomen und Zoologen Karl Ludwig Rütimeyer in Basel geboren. Er verlebte den grössten Teil seiner Schul- und Studienzeit in Basel, wo er 1881 das medizinische Staatsexamen bestand. Nach Studienaufenthalten an den Universitäten Wien und Berlin und zwei Jahren Assistenz bei Hermann Immermann in Basel wurde Rütimeyer 1883 zum Hausarzt des Diakonissenspitals in Riehen gewählt. Ein Jahr später heiratete er Rosa Lindt aus Bern.

Tätigkeit am Diakonissenspital Riehen

Rütimeyer wirkte 13 Jahre in Riehen und betrieb während dieser Zeit gleichzeitig eine Landpraxis. Sein breites medizinisches Interesse drückten sich in seinen Publikationen zu Meningitis Tuberculosa, Lungensarkom und Lungenaktinomykose aus. Dazu veröffentlichte er Untersuchungen zur damals grassierenden Infektionskrankheit Typhus. Daneben zeigte Rütimeyer bereits in Riehen ein ausgeprägtes Interesse für Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. 1896 verliess er das Diakonissenspital und zog mit seiner Familie nach Basel, wo er mit Kollegen eine Privatklinik betrieb. Sein Nachfolger als Chefarzt in Riehen wurde der Chirurg Friedrich Gutknecht.

Medizinische Forschungen

Rütimeyer hatte sich im Jahr 1887 mit einer Publikation ‹Über die hereditäre Ataxie› habilitiert und lehrte danach als Privatdozent für Innere Medizin an der Universität Basel. Als akademischer Lehrer gab er Kurse für mikroskopische und chemische Diagnostik. Medizinisch beschäftigte er sich nach seiner Rückkehr nach Basel beinahe ausschliesslich mit Magen- und Darmkrankheiten. Von seinen zahlreichen, zum Teil ausgedehnten Auslandsreisen, bei denen er den Grundstein zu wichtigen ethnologischen Ausstellungen in Basel legte, brachte er auch Berichte über verschiedene tropenmedizinische Beobachtungen mit.

Für Beiträge zum regionalen, klinischen Auftreten des Magengeschwürs wurde Rütimeyer 1907 in Basel die ausserordentliche Professur verliehen. Mit seinen bedeutenden Forschungen auf diesem Spezialgebiet wurde er zudem mit der Wahl in den Ausschuss der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen in Berlin geehrt.

Rütimeyer schrieb zahlreiche weitere Abhandlungen über verschiedene Magenerkrankungen, dazu das Kapitel ‹Das Magenkarzinom› im dritten Band des ‹Handbuchs der inneren Medizin› (1918) sowie ein Kapitel in der Reihe ‹Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten›. 1921 folgte eine Arbeit über Magenblutungen.

Volkskundliche und ethnologische Forschungen

Neben der medizinischen Tätigkeit widmete Rütimeyer seine Freizeit mehr als vier Jahrzehnte lang der Volkskunde und Ethnologie. Bereits 1892 wurde er Mitglied der Kommission der völkerkundlichen Sammlung des Museums, der er bis zu seinem Tod als Vizepräsident angehörte.1924 kam sein Hauptwerk ‹Ur-Ethnographie der Schweiz› heraus, das wie auch andere seiner ethnologischen Forschungsarbeiten international Resonanz und Anerkennung fanden. 1926 wurde Rütimeyer für seine Leistungen auf diesem Gebiet von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Basel zum Ehrendoktor ernannt.

Leopold Rütimeyer verstarb am 25. September 1932 im Alter von 76 Jahren. Er ist auf dem Wolfgottesacker in Basel bestattet.

Autorin / Autor: Peter Nussberger | Zuletzt aktualisiert am 17.1.2024

Fakten

Leopold
Rütimeyer
Rütimeyer-Lindt
Prof. Dr. med., Dr. phil. h.c.
13.05.1856 in Basel
25.09.1932 in Basel
Bern, ab 1867 Basel
Schweiz

Werke (Auswahl)

Medizinische Untersuchungen

Über das Vorkommen von Tuberkelbacillen in Blut und Milzsaft bei allgemeiner akuter Miliartuberkulose. [Leipzig] 1885.

Über hereditäre Ataxie. Ein Beitrag zu den primären Systemerkrankungen des Rückenmarkes. [Berlin] 1887.

Über continuirliche Thallinisation bey Typhus abdominalis. [Basel] 1887.

Über die Billharziakrankheit. Basel 1894.

Zum klinischen Verhalten des Magencarcinoms. Basel 1900.

Ein Fall von Gastrospasmus chronicus bei Magencarcinom. Berlin 1901.

Über die geographische Verbreitung und die Diagnose des ulcus ventriculi. Mit besonderer Berücksichtigung des chemischen Verhaltens des Magensaftes der occulten Blutungen. Ein Beitrag zum regionären klinischen Verhalten des Magengeschwürs. Wiesbaden 1906.

Über die diagnostische Bedeutung der Fermentuntersuchungen, speziell des Labfermentes des Magensaftes bei Magenkrankheiten, zugleich ein klinischer Beitrag zur Frage der Wesenseinheit von Lab und Pepsin beim Menschen. Berlin 1912.

Das Magenkarzinom. Berlin 1918.

 

Ethnografische Veröffentlichungen

Die Nilgalaweddas. [Braunschweig] 1903.

Über Masken und Maskengebräuche im Lötschental (Kanton Wallis). In: Globus 91 (1906). S. 201–218.

Die Kabylen des Djurdjura-Massivs. Ethnographische und prähistorische Reiseerinnerungen. Zürich 1912.

Die Sammlung für Völkerkunde in Basel. Vortrag gehalten in der Jahresversammlung der Akademischen Gesellschaft in Basel am 2. Mai 1912. Basel 1912.

Über einige archaistische Gerätschaften und Gebräuche im Kanton Wallis und ihre prähistorischen und ethnographischen Parallelen. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 20 (1916). S. 283–372.

Weitere Beiträge zur schweizerischen Ur-Ethnographie aus den Kantonen Wallis, Graubünden und Tessin und deren prähistorischen und ethnographischen Parallelen. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 22 (1918/19). S. 1–50.

Ur-Ethnographie der Schweiz. Ihre Relikte bis zur Gegenwart mit prähistorischen und ethnographischen Parallelen. Basel 1924.

Alt-Ägypten. Basel 1930.

Archive

Staatsarchiv Basel-Stadt

Sammlung biographischer Zeitungsauschnitte: 9 Zeitungsartikel.

Literatur

Bellwald, Werner: «… Jahrtausende lang zäh und unveränderlich …» Reliktforschung in der Fortschrittseuphorie. Zur wissenschaftlichen Verortung des Ethnographen Leopold Rütimeyer. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 59 (2005). S. 185–212.

Hoffmann-Krayer, E[duard]: Prof. Dr. med. et phil. Leopold Rütimeyer, geb. 13. Mai 1816, gest. 15. Sept. 1932. In: Schweizer Volkskunde 22 (1932). S. 99f.

Müller, Achilles: In Memoriam Prof. L. Rütimeyer. In: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 62 (1932). S. 1221.

Remy, John M.: Leopold Rütimeyer and the discovery of the «geschulten Diebe», a legendary masked «Männerbund» of the Lötschental. In: Traverse 5 (1998). S. 126–140.

Reubi, Serge: Leopold Rütimeyer et la naissance du musée ethnographique de Bâle. Trajectoires d’amateurs et institutions à la fin du XIXe siècle. In: Romantisme 190 (2020). Nr. 4. S. 79–89.

Rütimeyer, W[ilhelm]: Leopold Rütimeyer. In: Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 114 (1933). S. 469–478.

Sarasin, Fritz: Prof. Leopold Rütimeyer, Dr. med. et phil. h.c., 1856–1932. In: Basler Jahrbuch 1934. S. 1–11.

Schürch, Franziska: Portrait Leopold Rütimeyer. In: dies., Sabine Eggmann und Marius Risi (Hg.): Vereintes Wissen. Die Volkskunde und ihre gesellschaftliche Verankerung. Münster et al. 2010. S. 113.

Stöcklin, Werner: Der Basler Arzt Leopold Rütimeyer (1856–1932) und sein Beitrag zur Ethnologie. Basel/Stuttgart 1961.

Wunderlin, Dominik: Leopold Rütimeyer. Medizinprofessor, Ethnologe, Reliktforscher. In: Thomas Antonietti (Hg.): Nahe Ferne. Ein Jahrhundert Ethnologie im Wallis. Sitten 2013. S. 56–61.

Zur Erinnerung an Prof. Dr. Leopold Rütimeyer-Lindt 1856–1932. [Basel 1932]. (Leichenrede)

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