Gerhard Kaufmann, von Beruf Architekt, war Riehens prägende politische Persönlichkeit im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts: Während 28 Jahren lenkte er die Geschicke des Dorfes als Gemeindepräsident. Er setzte sich vor allem für die Stärkung der Gemeindeautonomie, die Erhaltung historischer Bauten und die Bewahrung von Grünzonen ein.
Sohn des Alfred Kaufmann (Commis) und der Margarethe, geborene Hünenberger. Heirat 1967 mit Verena Edith, geborene Ruch (Primarlehrerin). Zwei Töchter, zwei Söhne.
Gerhard Kaufmann wurde am 21. Mai 1931 als zweiter Sohn des Ehepaars Alfred und Margarethe Kaufmann-Hünenberger geboren. Sein Vater stammte aus Weil am Rhein und hatte sich 1927 in Riehen niedergelassen. Seine Grosseltern mütterlicherseits, Louise und Heinrich Hünenberger, hatten 1911 an der Schützengasse 6 ein Haus bauen lassen und betrieben dort eine Gärtnerei. Hier erlebte er mit seinem älteren Bruder Heinrich und dem jüngeren Bruder Beat eine unbeschwerte Jugend.
1947 trat Gerhard Kaufmann als 16-Jähriger dem Christlichen Verein junger Männer CVJM bei. Im gleichen Jahr begann er eine Bauzeichnerlehre. Anschliessend studierte er am Technikum in Burgdorf und an der ETH in Zürich Architektur und erweiterte seine Kenntnisse an verschiedenen Praktikumsstellen.
Nach Riehen zurückgekehrt, eröffnete Gerhard Kaufmann 1956 sein eigenes Architekturbüro. Er baute zahlreiche Einfamilienhäuser und grosse Mehrfamilienhäuser, zum Beispiel an der Baselstrasse 24a, am Schützenrainweg 34–44 (1966) und an der Rainallee 43–45 (1966), sowie Gebäude für Wohngenossenschaften, unter anderen Hinter der Mühle 3 (1969), aber auch Geschäftshäuser, wie die frühere Milchzentrale am Winkelgässchen 5 (1969), und öffentliche Bauten, etwa den Werkhof der Gemeinde (1974) und das Zollabfertigungspavillon an der Weilstrasse (1992). Unter seiner Leitung entstanden zudem mehrere Gebäude für die Pilgermission St. Chrischona (1976, 1992).
Daneben führte Kaufmann Sanierungen historischer Gebäude, zum Beispiel des Alten Wettsteinhauses (1967–1970), aus und wirkte auch als Liegenschaftsverwalter sowie als Berater in Bau- und Wohnfragen und engagierte sich in der Verwaltung verschiedener gemeinnütziger Stiftungen.
1967 heiratete Gerhard Kaufmann in Basel die Primarlehrerin Verena Ruch. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter, darunter als älteste die spätere Gemeindepräsidentin Christine Kaufmann (* 1968), und zwei Söhne hervor.
Bereits früh begann Gerhard Kaufmann sich auch politisch zu betätigen. 1964 rückte er für die Vereinigung Evangelischer Wählerinnen und Wähler VEW, die spätere Evangelische Volkspartei EVP, in den Einwohnerrat nach. Zwei Jahre später wurde er in den Gemeinderat, wo er das Ressort Hochbau betreute, und 1970 zum Gemeindepräsidenten gewählt.
Gerhard Kaufmanns politisches Wirken war prägend für die Entwicklung Riehens. Seine politische Haltung wollte er nicht in einem Links-Rechts-Schema verortet sehen; vielmehr galten seine Bestrebungen der Vereinbarkeit von ökologischen, ökonomischen und sozialen Anliegen im Hinblick auf eine lebenswerte Zukunft für alle. Seine Rolle als Gemeindepräsident verstand er als ausgleichend und vermittelnd.
In den Beziehungen zum Kanton arbeitete Gerhard Kaufmann beharrlich daran, die Kompetenzen der Gemeinde zu erweitern, damit sie ihren eigenen Charakter weiter entfalten konnte. Die Gemeinde übernahm während seiner Amtszeit als Gemeindepräsident die Führung des Spitals (1973/1980), das Fürsorgewesen (1984) und die Kindergärten (1996) und erhielt Kompetenzen in der Zonenplanung. Zudem entstanden in dieser Periode das Dorf- und Spielzeugmuseum, die Alterssiedlung Dreibrunnen, das Alters- und Pflegeheim Zum Wendelin, die Musikschule, das Haus der Vereine und die Geothermieanlage.
Gerhard Kaufmann setzte sich auch für die Erhaltung und Restaurierung historischer Bauten ein. Gleichzeitig vertrat er den Standpunkt, das ‹grosse grüne Dorf› müsse zu seinem Grund und Boden Sorge tragen. Er unterstützte nach Möglichkeit den Ankauf von Land durch die Gemeinde, einerseits zur naturschützenden Erhaltung von Grünflächen, andererseits als Reserve für kommunale Bauvorhaben.
Nach seinem Rücktritt als Gemeindepräsident im Jahr 1998 widmete sich Kaufmann wieder verstärkt der beruflichen Tätigkeit in seinem Architekturbüro, nahm aber als Mitglied des Verfassungsrats des Kantons und des Verwaltungsrats des neuen Universitäts-Kinderspitals beider Basel weiterhin öffentliche Funktionen wahr. Zudem präsidierte er von 1999 bis 2006 die EVP Basel-Stadt und war später deren Aktuar. Bis kurz vor seinem Tod besuchte er Anlässe der Partei, wo er sich auch regelmässig zu Wort meldete.
Gerhard Kaufmann war an Geschichte, insbesondere seiner Heimatgemeinde, interessiert. So bot er Dorfführungen an und verfasste zahlreiche Artikel für das Jahrbuch z’Rieche, insbesondere zur politischen und wirtschaftlichen Geschichte sowie zur Baugeschichte. Er setzte sich für den Ausbau des Historischen Grundbuchs Riehen ein und erwirkte, dass dieses von der Gemeinde übernommen wurde.
Gerhard Kaufmann starb, nach kurzer Krankheit, am 1. September 2023 in seinem Heim in Riehen.
Autorin / Autor: Caroline Schachenmann | Zuletzt aktualisiert am 12.12.2024
Riehen fordert Gemeindeautonomie. In: Basler Stadtbuch 1973. S. 113–119.
Richtplan Riehen: In: Basler Stadtbuch 1975. S. 61–72.
Dorf und Stadt – ein lebendiger Organismus. In: Das Markgräflerland 43 (1981). Heft 1. S. 127.
Riehen nutzt die Geothermie zu Heizzwecken. In: Basler Stadtbuch 1992. S. 129–132.
Fondation Beyeler in Riehen. Der politische Weg. In: Basler Stadtbuch 1997. S. 139–142.
UKBB Universitäts-Kinderspital beider Basel. Der Standortentscheid. In: Basler Stadtbuch 2001. S. 204–207.
Vom Auslaufmodell zur Modellgemeinde. In: Hess, Stefan (Hg.): Basel und Riehen. Eine gemeinsame Geschichte. Basel 2021. S. 193–224.
Die bauliche Entwicklung Riehens – eine Zwischenbilanz. In: Jahrbuch z’Rieche 1965. S. 13–19.
Rudolf Schmid – von der Gemeindeschreiberei zur Gemeindeverwaltung. In: Jahrbuch z’Rieche 1975. S. 33–35.
Die Heimstätte-Genossenschaft Niederholz 1921–1933. In: Jahrbuch z’Rieche 1980. S. 86–100.
Die lange Leitung. Vom Känel zum Hauptsammelkanal. In: Jahrbuch z’Rieche 1982. S. 124–141.
Nicht ausgeführte Riehener Bauprojekte. In: Jahrbuch z’Rieche 1983. S. 35–56.
Ein Fluss wird gebändigt. Die Wiese, des Feldbergs liebliche Tochter. In: Jahrbuch z’Rieche 1985. S. 117–135.
Ideenwettbewerb Gartengasse. Die Zukunft des Sarasinparks. In: Jahrbuch z’Rieche 1987. S. 159–165.
Kulturpreisträgerin 1988: Lukrezia Seiler-Spiess. In: Jahrbuch z’Rieche 1989. S. 114–119.
Der letzte Statthalter des Landbezirks: Johann Jakob Heimlicher. Auf dem Weg zur Riehener Eigenständigkeit. In: Jahrbuch z’Rieche 1989. S. 142–149.
Erst der Gärtner macht die Landschaft zum Garten. Das Gärtnereigewebe in Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche 1991. S. 142–157.
Riehener hütet Euch am Gstaltenrain. Landesstreik und Generalstreik in Riehen. In: Jahrbuch z’Rieche 1994. S. 60–69.
Der Französische Garten des Neuen Wenken und seine Statuen. In: Jahrbuch z’Rieche 1995. S. 72–81.
Besuch in Siebenbürgen: Die Pfingstwallfahrt vom Schomlenberg. In: Jahrbuch z’Rieche 1997. S. 132–141.
Ein «Relikt» behauptet sich. In: Jahrbuch z’Rieche 2007. S. 103–112.
Grösse ist kein Ziel. In: Jahrbuch z’Rieche 2010. S. 48–57.
Ein Bau im historischen Kontext. In: Jahrbuch z’Rieche 2011. S. 98–103.
Alexander Clavel und der Wenkenhof. In: Jahrbuch z’Rieche 2017. S. 56–65.
Riehen und der Basler Generalstreik von 1919. In: Jahrbuch z’Rieche 2019. S. 60–67.
Riehen, das ehemalige Grubendorf. In: Jahrbuch z’Rieche 2021. S. 22–27.
Dokumentensammlung Gerhard Kaufmann (1931–2023). 1977–2005: SWA Biogr. Kaufmann, Gerhard.
Spriessler, Rolf: Auf dem Weg zum autonomen grossen grünen Dorf. In: Jahrbuch z’Rieche 2024. S. 46–53.
Weissenberger, Fritz: Gerhard Kaufmann: Ein Kämpfer für die Gemeindeautonomie. In: Jahrbuch z’Rieche 1998. S. 78–84.
Raith, Michael: Gerhard Kaufmann, Gemeindepräsident von Riehen. «… mehr als nur Liegestühle rücken auf dem Deck der Titanic». In: Basler Stadtbuch 1998. S. 79–82.